26. Mai 1999 Jungle World 

Deutsch-amerikanische Freundschaft II
Staat machen 
 

Der Staat im Staat in der 1. Person. Papa, kennst du schon: deutsch-amerikanische Freundschaft. Ein Bündnis, im Augenblick stärker denn je nach außen, zugleich schwächer denn je nach innen. Die Nato, das ist der vereinigte Westen gegen ein einzelnes Europa; Europa, das ist die Nato minus Amerika. Deutschland steht mal hier, mal da. Es geht um Hegemonie. 

Auch im Pop geht es um Macht. Deutsch-amerikanische Freundschaft (DAF), hieß das Vorzeigeprojekt der damals teilsouveränen Bundesrepublik, der erste bedeutsame Pop-Export seit Kraftwerk. Mit dem Stück "Der Mussolini" gelang zugleich das erste Vergehen gegen den BRD-Nachkriegskonsens des großen Schweigens. Mit der Aufforderung "Beweg deinen Hintern, tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler, tanz den Jesus Christus" wurde nicht nur der Faschismus zum ersten Mal im Pop als eine beispielsweise im Tanz realisierbare Möglichkeit neben andere gestellt und damit eben nicht profanisiert, wie Kritiker unterstellten, sondern erstmals wieder als reale Bedrohung ernstgenommen. Mehr noch, mit der Reihe Mussolini, Hitler, Jesus wurde auch die Totalitarismustheorie wörtlicher genommen als erlaubt, denn der, die, das Totalitäre war bekanntlich immer auf der Feindesseite. 

Kurzum: Das Stück war der erste tabubrechende Popmusiktrack in deutscher Sprache. Und gefährlich: Mit diesem DAF-Stück trat 1981 zum ersten Mal seit Glamrock in der Undergroundmusik der Körper auf die Bühne, nach den Selbstverstümmelungen und Sauforgien des Punk und nach der Maschinenliebe des New Wave. Körper war hier nicht mehr nur der Ausdruck von Sex, sondern von Selbstbewußtsein - das Ergebnis war der für sich allein tanzende Star, der Solipsist. 

Zugleich sorgten DAF mit ihren elektronischen Sounds im Punk-Kontext für Chaos - das ging soweit, daß Gitarren-Fanatiker ihnen auf Konzerten den Stecker herauszogen - und dürfen daher zu Recht als Pioniere der elektronischen Musik gelten. 

Heute gehen die beiden DAF-Mitglieder, Gabi Delgado und Robert Görl, getrennte Wege. Görl bringt seit einiger Zeit puristische Technoplatten heraus, die wenig erfolgreich sind, aber lobende Kritiken erhalten. Delgado hingegen war kaum noch mit neuen Projekten präsent, gehörte zur Peripherie der Berliner Techno-Szene und lebte mit dem Handicap, zu jung ein Star geworden zu sein. Und muß wohl auch weiterhin damit leben. Denn die erste wie die gerade erschienene zweite Platte seiner DAF-Wiedergängerei unter dem Namen DAF/DOS versucht von Gesangsstil über Beats bis hin zur CD-Cover-Gestaltung an die alten Tage anzuknüpfen, ohne anzuerkennen, daß diese Form des In-den-Achtzigern-Lebens weder beliebt noch aussagekräftig ist. Die Platte "Der DAF/DOS Staat" ist daher nicht Pop und nicht Politik, sie ist - bei aller Zuhilfenahme von Technogrößen wie Tanith oder Cosmic Baby - nichts anderes als der Versuch, an den kommerziellen Erfolg anzuknüpfen. 

Wenn man so will, handelt die Platte demnach eher von der Unmöglichkeit des Einfach-so-weiter-Machens bzw. von der Unsinnigkeit, eine überkommene Form des Auftritts mit ein wenig modischem Schnickschnack oder schicken Beats zu unterlegen. Die Masche zieht nicht mehr, sie ist längst Teil des Mainstreams geworden. Britney Spears z.B. surft erfolgreich auf dieser Welle. Delgado aber muß sich was Neues einfallen lassen. Das hier jedenfalls ist jetzt so schlau und cool wie das Tragen von weißen Socken. 

 Jörg Sundermeier 
 
 

Dieser Artikel erschien in der Printausgabe der Zeitschrift  "DJungle World" und ist auf deren Online-Archiv zu lesen unter http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_99/22/25b.htm


Back to Start
Back to GörlDelgado-Media-Print