Berliner Zeitung, 09.04.2003

Ein vormals glänzender Ruf
Die New Wave-Combo DAF spielte in der Columbiahalle

Was sich im letzten Jahr mit einem ersten öffentlichen Auftritt zur Love Parade ankündigte, vor wenigen Wochen dann zu dem Album "15 neue DAF Lieder" führte, wurde am Montagabend in der Columbiahalle mit dem Auftaktkonzert zur Deutschlandtour gefeiert: Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist wieder intakt. Die Herren Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl, die sich Anfang der 80er-Jahre den Hit "Der Mussolini" ausdachten, haben erneut zueinander gefunden, um dort weiterzumachen, wo sie sich vor rund 18 Jahren trennten. Was sie nach all der Zeit dazu bewogen hat, ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Dass dabei aber das 80er-Jahre-Revival sowie der Erfolg von Jürgen Teipels Buch "Verschwende Deine Jugend", ein Werk zum Punk und New Wave in Deutschland, als entscheidende Anregungshilfen gedient haben, ist zumindest nicht auszuschließen. 

Der Zeitpunkt der Rückkehr schien demnach klug gewählt, doch der Erfolg blieb bislang aus. Obwohl die "15 neuen DAF Lieder" in der Presse oft Erwähnung fanden, mochten weder Kritiker noch Plattenkäufer sich dafür begeistern. Auch die aktuelle Single "Der Sheriff (Antiamerikanisches Lied)" fand trotz anti-amerikanischer Stimmung, die sich günstig auf den Verkauf hätte auswirken können, kaum Gehör, und das dazugehörige US-Flaggenverbrennungsvideo wurde nur selten von den Musiksendern gespielt. 

So war es dann kein Wunder, dass sich die Columbiahalle nur zu einem Viertel füllte. Das Konzert stand unter dem Motto "30 DAF Lieder" und begann mit "Sato-Sato". Das Stück findet sich auf dem Album "Alles ist gut" aus dem Jahre 1981 und offenbart bereits die gesamten Möglichkeiten des überschaubaren DAF-Schaffens: variationsarme Sequencer-Muster, forsche Rhythmik und kommandohaft geschriene Zeilen. Während die Sequencer-Muster also denkbar variationsarm zu forscher Rhythmik blubberten, sah man Gabi Delgado-Lopez kommandierend Textzeilen skandieren und sich dabei großen Schrittes und gestenreich über die Bühne bewegen. Ein namentlich unbekannter Schlagzeuger verrichtete seine Arbeit in der hinteren linken Bühnenecke und hielt sich ansonsten vornehm zurück, ebenso Robert Görl, der in der hinteren rechten Ecke stand und sich weitgehend bewegungslos um die Elektronik kümmerte. 

Zur visuellen Auflockerung hingen breite, weiße Streifen von der Decke herab, auf die zum Nachlesen jene Textbrocken projiziert wurden, die Degado-Lopez gerade schrie. Schon nach wenigen Takten hatte er sein schwarzes Hemd aufgeknöpft, anschließend schüttete er sich ständig Wasser über den Kopf. Vielleicht war ihm warm, vielleicht wollte er aber auch, dass etwas passiert. Da ein DAF-Konzert aber wie jedes einzelne DAF-Stück auf dem Prinzip der Wiederholung basiert, passierte nicht viel. Manchmal ging Delgado-Lopez in die Knie, manchmal schüttete er auch Wasser ins Publikum, manchmal sagte er "Dankeschön, Mädchen und Jungs" und erntete freundlichen Applaus.

Wenn das Konzert für etwas gut war, dann um DAFs vormals glänzenden Ruf zu zerstören. Man hatte sich angewöhnt, DAF vor allem deshalb zu verehren, weil man den Sinn ihres kühnen Über-Hits "Der Mussolini" im Grunde nicht verstand. Viele schlaue Leute hatten sich in der Vergangenheit viele kluge Gedanken über den Song gemacht und kamen doch zu keinem vernünftigen Schluss. Heute muss man schließen, dass die Brillanz dieses Titels wohl vor allem einem Zufall geschuldet war. Aber das ist zumindest auch eine schöne Erkenntnis.
 
 
 
 
 
 
 
 

Dieser Artikel erschien in der Printausgabe der Zeitschrift  "Berliner Zeitung " und ist auf deren Online-Archiv zu lesen unter
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0409/feuilleton/0034/


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